Auf Gedeih und Verderb von China abhängig

Die europäische Photovoltaik-Industrie ist weit davon entfernt, den Bedarf zu decken, den der Klimaschutz erfordert. Die Energiewende ist auf den massenhaften Import chinesischer PV-Module angewiesen. Dieses Thema beherrschte das 38. PV-Symposium in Bad Staffelstein.

Die indirekten Auswirkungen des Ukraine-Krieges bekommt jetzt auch die Photovoltaik-Branche zu spüren, obwohl weder die Ukraine noch Russland auf dem Markt eine Rolle spielen. Aber die schlagartig verschärfte politische Situation hat der europäischen Industrie die bedrohliche Abhängigkeit von Lieferländern vor Augen geführt, die westliche Positionen nicht unterstützen oder sogar bekämpfen. Das erste gilt vor allem für China, das zweite für Russland.

Russland liefert kein Erdgas mehr nach Westeuropa und bringt dadurch einen großen Teil der Industrie, vor allem in Deutschland, in eine extrem schwierige Lage. Aber noch größer als die Abhängigkeit der Grundstoffindustrie vom russischen Erdgas ist die Abhängigkeit der Photovoltaik-Branche von chinesischen Photovoltaik-Modulen, die für die geplante Energiewende unverzichtbar sind.

Falls China seine schon oft geäußerten Drohungen wahrmacht und, die Gunst der Stunde nutzend, einen Krieg gegen Taiwan vom Zaun bricht, ist es politisch geboten, den Import chinesischer Produkte so weit wie möglich zu drosseln, um den Agresssor ökonomisch unter Druck zu setzen. Dann würden zahlreiche Produkte auf dem europäischen Markt knapp werden, also auch chinesische PV-Module.

Noch ist es nicht so weit. Aber in der deutschen Photovoltaik-Branche geht die Sorge um, dass sich schon bald die Schattenseiten der Abhängigkeit von China zeigen werden. Als erstes Vorzeichen wird die Nachricht aufgefasst, dass die chinesische Regierung plane, den Export von Produktionsmaschinen zu stoppen, die für die Modulherstellung erforderlich sind. Das erscheint wie eine Ironie der Geschichte, denn vor 20 Jahren hat China in großem Umfang Produktionsmaschinen aus Deutschland importiert, um die eigene Photovoltaik-Industrie massiv auszubauen.

Kette mit zwei schwachen Gliedern

Prof. Dr. Andreas Bett, einer der beiden Leiter des Fraunhofer ISE in Freiburg, wies am 28. Februar, dem ersten Tag des PV-Symposiums, darauf hin, dass in Europa kaum noch Produktionskapazitäten für zylindrische einkristalline Siliziumblöcke (Ingots) und die daraus geschnittenen hauchdünnen Scheiben (Wafer) vorhanden sind. Mit anderen Worten: Die europäische Photovoltaik-Industrie ist auf Gedeih und Verderb von China abhängig. Das war schon im vergangenen Jahr ein Thema des Symposiums [1].

Die von einigen Industrieverbänden gebildete Europäische Solar-Industrieallianz (ESIA) hält einen Ausbau der jährlichen Produktionskapazität über alle Wertschöpfungsstufen hinweg auf 30 GW bis 2025 für erforderlich. Das bedeutet, dass die Wertschöpfungsstufen in Europa wieder aufgebaut werden müssen, nachdem sie vor etwa zehn Jahren bis auf wenige Reste abgebaut worden waren. Die ESIA forderte die europäische Kommission auf, Anreizsysteme für den Ausbau der Photovoltaik zu schaffen, die Finanzierung zu sichern sowie Ausbildung und Kompetenzaufbau zu fördern. Denn auch der Fachkräftemangel macht der Branche zu schaffen.

Die energieintensive Silizium-Produktion, die vor allem in Island, Norwegen und Deutschland angesiedelt ist, würde ausreichen, um die europäische Photovoltaik-Industrie zu versorgen. Aber die Wertschöpfungskette hat zwei sehr schwache Glieder, denn um aus dem Silizium Wafer zu produzieren, steht nur eine Kapazität von 1,4 GW zur Verfügung. Noch kleiner ist die Kapazität der Solarzellenproduktion, die nicht einmal auf 1 GW kommt. Beide Kapazitäten sind sehr weit von den 30 GW entfernt, die von der ESIA gefordert werden.

Ressourcen schlummern auf den Dächern

Ernüchternd wirkte sich auch der Vortrag aus, den Prof. Dr. Peter Dold, der Leiter des Fraunhofer CSP in Halle, in Bad Staffelstein hielt. Er wies darauf hin, dass die Bundesregierung im Jahr 2030 eine installierte Photovoltaik-Leistung in Höhe von 215 GW sehen will. Das entspricht einer Menge von 21,5 Milliarden Wafern des aktuellen Standards. Es handelt sich um hauchdünne, quadratische Siliziumscheiben mit 210 mm Kantenlänge und etwa 10 W maximaler Leistung. „Die Produktionskapazität in Europa für diese großen Wafer ist gleich null“, stellte Peter Dold lakonisch fest. Die Waferproduktion wird von den Chinesen beherrscht, die ihren Weltmarktanteil auf sage und schreibe 96,8 % steigern konnten.

Um diese Wafer herzustellen, muss ein Silizium-Kristall mit 300 Millimeter Durchmesser aus der Schmelze gezogen werden. Die Produktion dieser sogenannten 300-Millimeter-Ingots ist in Europa zwar verschwunden, aber das Knowhow ist wenigstens noch vorhanden. „Wir müssen dringend State-of-the-Art Anlagen installieren, um die Expertise auszubauen!“ betonte Peter Dold.

Wenn die Bundesregierung ihr Ausbauziel erreichen will, müssen etwa 20 GW Fotovoltaik pro Jahr installiert werden. Weil eine Anlage, die den Silizium-Kristall aus der Schmelze zieht (der sogenannte Czochralski-Puller) etwa 15 GW pro Jahr herstellen kann, benötigt man 1.300 Puller, außerdem jährlich 25.000 Tiegel, in denen sich die Schmelze befindet. Diese Tiegel müssten die Europäer in China bestellen, aber leider nimmt man dort keine Neukunden mehr an, weil die Chinesen ihr lukratives Monopol gerne behalten wollen. Angesichts dieser fast unüberwindlich scheinenden Hindernisse erscheint die Beschaffung von jährlich 200 t Silber und 800.000 t Glas, die man natürlich ebenfalls benötigt, fast schon wie eine lösbare Aufgabe. Silber wird für die haarfeinen Kontaktfinger benötigt, die den Solarstrom auf der Oberfläche der Zelle einsammeln und ableiten.

Damit die Ressourcen nicht knapp werden, empfahl Peter Dold, den Wertstoffkreislauf zu schließen, also ausgemusterte Module einzusammeln und das Material zu recyceln. Auf den deutschen Dächern sowie auf den Wiesen schlummern ansehnliche Ressourcen in Gestalt von Modulen: Rund 250.000 t Silizium, 3.000 t Silber und 3,5 Mill. t Glas. Es würde sich also lohnen, wenn nur die erforderliche Nachfrage vorhanden wäre.

Massive Subventionen verzerren den Wettbewerb

Auch der größte deutsche Hersteller von PV-Modulen, die Meyer Burger Technology AG, kam in Bad Staffelstein zu Wort. Christoph Podewils, der Leiter Politik & Unternehmenskommunikation des Unternehmens, das vor drei Jahren die stillgelegten, aber immer noch bestehenden Produktionsstätten für Zellen und Module in Sachsen und Sachsen-Anhalt übernommen hatte, wies auf die massiven Subventionen hin, die es in China schon lange gibt und die in den USA angekündigt wurden. „Europa hinkt strategisch hinterher“, stellte er fest, „wir müssen jetzt handeln!“

Das von der US-Regierung verkündete Subventionsprogramm „Inflation Reduction Act“ (IRA) sieht Hilfen in Höhe von 369 Mrd. $ und massive Steuervergünstigungen für Klimaschutzbranchen vor. Deshalb droht eine Abwanderung eines Teils der industriellen Produktion aus Europa, denn zum Beispiel für die Hersteller von Photovoltaik-Modulen ist es unter diesen Voraussetzungen natürlich verlockend, die Produktion in die USA zu verlagern.

Die in der EU aktuell geplanten Subventionen senken die Modulpreise ab Werk nur um 0,1 Cent pro Watt, von 24,8 auf 24,7 Cent. Wesentlich stärker wirken sich die in China und vor allem in den USA geplanten Subventionen aus. Ein 500-Watt-Modul kostet dann in China nur noch 125 € ab Werk, und in den USA würde das gleiche Modul, nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten des IRA, nur noch 68 € kosten. Die europäischen PV-Fabriken, die zurzeit wenigstens noch der amerikanischen Konkurrenz die Stirn bieten können, würden dann im globalen Wettbewerb weit zurückfallen.

Außerdem benannte Christoph Podewils die Hindernisse, die seiner Ansicht nach von der Europäischen Union selbst aufgebaut wurden. Denn die europäischen Hersteller von Solarzellen und Solarmodulen müssen Zölle auf Vorprodukte zahlen, die importiert werden, zum Beispiel für Folien und Siliziumpaste. Die europäischen Importeure chinesischer Solarmodule sind von diesen Zöllen befreit, weil sie das fertige Produkt importieren. Diese Zölle machen in der Summe zwar nur wenige Prozentpunkte aus, aber weil im globalen Wettbewerb mit spitzem Bleistift gerechnet werden muss, liegt der Wettbewerbsnachteil auf der Hand.

„Europas Unabhängigkeit ist günstig zu haben“, resümierte Christoph Podewils, „denn die Gesamtkosten für die Förderung der Produktion von Zellen und Modulen liegen zwischen 11 und 15 Milliarden €, aufsummiert bis 2030.“ Das ist eine Menge Geld, aber so gut wie nichts im Vergleich zu den 148 Milliarden Euro, die die Europäische Union für den Import von russischem Erdgas seit dem Kriegsausbruch bezahlt hat.

Die größte Herausforderung besteht darin, dass alles gleichzeitig passieren muss. Denn es geht ja nicht nur um den Ausbau der Produktionskapazitäten auf fast allen Wertschöpfungstufen, sondern auch um die Bereitstellung der Flächen, auf den die Module installiert werden sollen, und nicht zuletzt um die Fachkräfte, die wir brauchen, um die Energiewende zu verwirklichen.

Detlef Koenemann

Literatur

[1] Koenemann, D.: 37. PV-Symposium tagte erstmals in Freiburg im Breisgau, Elektropraktiker, Berlin 76 (2022) 9, S. 726-728.

Bild 1 Prof. Dr. Peter Dold (Fraunhofer CSP) hält es für erforderlich, den Wertstoffkreislauf zu schließen, damit die Ressourcen nicht knapp werden.


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