Zwei Blockheizkraftwerke, eine große Solarthermieanlage und eine Flusswasserwärmepumpe wurden zu einer ungewöhnlichen Fernwärmequelle kombiniert. Als die Referenzwärme nachgewiesen werden musste, wurde es spannend.
Die Stadtwerke Lemgo haben 11 Millionen Euro in ihre Fernwärmeversorgung investiert, um sowohl Solarthermie zu gewinnen als auch dem Wasser eines Flusses nutzbare Wärme zu entziehen. Das Vorhaben wurde von der Bundesregierung als innovatives Kraft-Wärme-Kopplungssystem anerkannt und nach dem iKWK-Programm gefördert. Installiert wurden zwei Blockheizkraftwerke (BHKW), die vor allem im Winter Strom und Fernwärme erzeugen, sowie eine große Solarthermieanlage und eine Flusswasserwärmepumpe, die vor allem im Sommer das Fernwärmenetz versorgen.
Auch der Fluss liefert Wärme
Die drei neuen, klimaschonenden Energiesysteme gingen im vergangenen Jahr in Betrieb. Die beiden Blockheizkraftwerke ersetzten eine Gasturbine und halbierten dadurch die Emissionen der Strom- und Fernwärmeproduktion.
Für die Solarthermie stand eine Grundfläche von 17.000 Quadratmetern zur Verfügung, sodass etwas mehr als 9000 Quadratmeter Kollektorfläche realisiert werden konnten. Installiert wurden Vakuumröhrenkollektoren der Firma Viessmann (Abbildung siehe Seite 77). Die Kollektorfläche entspricht an diesem Standort einer maximalen Wärmeleistung von 5,2 Megawatt. Weil das Wärmenetz Tag und Nacht mindestens 5 Megawatt thermische Leistung braucht, ist eine Einspeisung der solaren Wärme jederzeit möglich. Mit einer Stagnation ist also nicht zu rechnen.
Die Wärmepumpe ist auf 1 Megawatt Wärmeleistung ausgelegt und nutzt in den Monaten März bis November das Wasser des Flüsschens Bega, das Lemgo durchquert, als Wärmequelle. Als Mindesttemperatur der Quelle wurde 5 Grad Celsius angenommen und als geplante Vorlauftemperatur 85 bis 95 Grad Celsius. Die Auslegungsdaten wurden bestätigt und ein zuverlässiger Dauerbetrieb stellte sich ein. Die angestrebte Arbeitszahl der Wärmepumpe wurde erreicht, sie liegt bei 3,2 bis 3,4.
Gesetzesänderung auf den letzten Drücker
Das iKWK-Projekt erhielt den Zuschlag im Dezember 2020. Trotz der Bauzeit in den „Corona-Jahren“ 2021 und 2022 wurden der Terminplan und der Kostenrahmen exakt eingehalten. Aber für die Stadtwerke wurde es spannend. Denn um durch das iKWK-Programm gefördert zu werden, muss der Antragsteller nachweisen, dass aus erneuerbaren Energien jährlich ein definierter Anteil in das Wärmenetz eingespeist wird. Diese sogenannte Referenzwärme beträgt im Fall des in Lemgo installierten iKWK-Systems 30 Prozent.
Falls dieser Anteil nicht erreicht wird, dann wird die Förderung in dem betreffenden Kalenderjahr abgeschmolzen und sinkt auf Null, wenn die fehlende EE-Menge größer als ein Fünftel der Referenzwärme ist. Mit anderen Worten: Wenn der Anteil der Referenzwärme von 30 Prozent auf unter 24 Prozent sinkt, dann geht der Antragsteller in dem betreffenden Kalenderjahr leer aus. „Das Fatale ist, dass die dann wegfallende Förderung unwiederbringlich verloren ist“, stellt Uwe Weber, Bereichsleiter Strom- und Wärmeerzeugung der Stadtwerke Lemgo, fest. Weil die Referenzwärme rechtzeitig nachgewiesen werden musste, wurde die Inbetriebnahme des iKWK-Systems zu einer spannenden Angelegenheit. Denn im Inbetriebnahmejahr musste bislang die volle Referenzwärme erreicht werden, selbst bei unterjähriger Inbetriebnahme.
Zwar ging die Solarthermieanlage bereit Ende März 2022 in Betrieb, als der Probebetrieb abgeschlossen war, und die KWK-Anlage schon Anfang März, aber die Flusswasserwärmepumpe konnte erst Ende März technisch in Betrieb gehen, weil der Fluss vorher noch zu kalt war. Aufgrund dieser Besonderheit konnte diese wegweisende Anlage erst im Mai den Dauerbetrieb aufnehmen. Leider war dieses Datum maßgeblich für die in den Richtlinien definierte „Aufnahme des Dauerbetriebs“ des gesamten iKWK-Systems.
„Deshalb floss der Anteil der Wärmeerzeugung aus erneuerbaren Energien erst ab Mai in die Berechnung ein, und es wurde für uns schwierig, im ersten Betriebsjahr die Referenzwärme in voller Höhe zu erzeugen“, berichtet Uwe Weber, „und weil wir als Early Mover nicht nur eines der ersten iKWK-Systeme hatten, das in Betrieb ging, sondern dazu noch die wegweisende Wärmepumpen-Pilotanlage in Betrieb zu nehmen hatten, empfanden wir das schon als Benachteiligung.“
Letztendlich hat eine Gesetzänderung „auf den letzten Drücker“, um die sich unter anderem die Verbände AGFW und B.KWK stark gemacht hatten, dafür gesorgt, dass auch im Jahr 2022 eine unterjährige Inbetriebnahme mit anteiliger Referenzwärme möglich war. Damit endete für die Stadtwerke Lemgo die unschöne Zitterpartie.
Reibungsloses Zusammenspiel
Das Zusammenspiel der drei Teilanlagen funktionierte reibungslos. Das ist auch dem vorhandenen großen Wärmespeicher mit 3.000 Kubikmeter Volumen zu verdanken. Der sonnige Sommer des Jahres 2022 trieb die Einspeisung der Solarwärme bis Anfang September auf 3544 Megawattstunden in die Höhe. Das sind knapp 7 Prozent mehr, als es der simulierte Jahresertrag in Höhe von 3319 Megawattstunden erwarten ließ. Dass die vom iKWK-Programm geforderte Referenzwärmemenge am Ende noch erreicht wurde, ist vor allem auf die Mehrleistung der Solarthermieanlage zurückzuführen.
Die Wärmekosten sind niedrig und stabil. „Man kann mit Kosten zwischen 30 und 50 € pro Megawattstunde rechnen, wenn ein solarer Deckungsanteil bis 25 Prozent angestrebt wird“, sagt Christian Stadler, Leiter Großprojekte Solarthermie der Viessmann Deutschland GmbH, „und diese Kosten bewegen sich zwischen 50 und 80 € pro Megawattstunde, wenn ein Deckungsanteil geplant ist, der zwischen 40 und 100 Prozent liegt.“ Weil Viessmann auf mehr als 30 Jahre Erfahrung mit der Solarthermie zurückgreifen kann, sei das Risiko minimal. Mit unangenehmen Überraschungen ist also nicht zu rechnen.
Für Viessmann ist das Projekt in Lemgo die dritte Solarthermie-Großanlage zur Erzeugung von Fernwärme in Deutschland. Das Unternehmen installierte 2018 eine Anlage für das Bioenergiedorf Mengsberg. Die zweite Anlage wurde im Jahr 2019 in Moosach bei München in Betrieb genommen.F
erstmals veröffentlicht in: Solarthermie-Jahrbuch 2023