Stromspeicherung am toten Punkt

Seit der Abschaltung der letzten drei deutschen Kernkraftwerke müssen die erneuerbaren Energien die dadurch entstehende Lücke schließen. Bisher scheint das ganz gut zu gelingen. Die optimistisch eingestellten Experten betonen immer wieder, dass der Anteil der erneuerbaren Energien an der deutschen Stromversorgung kontinuierlich wächst und dass die Solar- und Windparks sogar unter bestimmten Bedingungen Strom im Überfluss liefern.

Zum Beispiel war in der stürmischen ersten Nacht dieses Jahres die Einspeisung kurzzeitig um 14 GW größer als die Last, die rechnerisch zu 89 % allein von den Windparks an Land und auf See gedeckt wurde. Die Freude über diese reiche Ernte wurde getrübt durch die Tatsache, dass ein großer Teil des Stroms an die Nachbarländer praktisch verschenkt werden musste, weil der Bedarf so gering war.

Ganz anders sah es in der Osternacht aus. Weil es relativ windstill war, konnten die Windparks nur 26 % der Last decken, sodass eine Lücke entstand. Das ist nichts Neues. Wir wissen seit langem, dass wir überschüssigen Ökostrom speichern müssen. Ohne Stromspeicherung können wir die Lücke nicht schließen, die durch die Abschaltung der einst Tag und Nacht laufenden Kernkraftwerke entsteht. Und erst recht nicht die Lücke, die durch die bereits beschlossene Abschaltung der Kohlekraftwerke entstehen wird.

Doch für die Bundesregierung hat die Stromspeicherung keine Priorität. Statt dessen bemüht sie sich unverdrossen darum, die Photovoltaik und die Windenergie massiv auszubauen, obwohl es offensichtlich ist, dass dadurch der gelegentliche Überfluss noch größer wird. Noch mehr Strom muss dann zu Schleuderpreisen exportiert werden. Und wenn selbst im Ausland niemand unseren Überschussstrom haben will, dann müssen immer öfter einzelne Windparks und Solarparks abgeschaltet werden.

Diese Absurdität findet nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit statt, weil die Betreiber für den entweder billig exportierten oder gar nicht erst erzeugten Strom auskömmlich entschädigt werden und sich deshalb nicht beschweren. Dieses stillschweigende Einverständnis hat mit einer sinnvollen Energiewende nichts zu tun. Die Kosten für das verharmlosend als „Einspeisungsmanagement“ bezeichnete Verfahren der Abschaltung bei Netzüberlastung sind bereits auf über eine Milliarde Euro geklettert. Das erinnert an Auswüchse einer aus dem Ruder gelaufenen Subventionspolitik.

Diese Kosten entstehen durch den Mangel an Vorsorge. Weil die Bundesregierung nicht rechtzeitig dafür gesorgt hat, dass auch in stürmischen Tagen die gewaltigen Strommengen von den Küsten zu den großen Industriezentren abtransportiert oder in der Nähe gespeichert werden können, müssen wir nun alle für Strom bezahlen, der wegen der Abschaltung gar nicht erst produziert wird.

Vielleicht war bisher alles zu einfach. Die preisgünstige Produktion großer Strommengen durch die Nutzung der Solar- und Windenergie erwies sich als problemloser, als man es sich vor 24 Jahren vorgestellt hatte. Damals begann mit der Verabschiedung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) der erstaunliche Aufstieg der Photovoltaik und der Windenergie. Der Anteil des Ökostroms an der Stromversorgung stieg von 5 auf knapp über 50 %, und die Erzeugungskosten des ursprünglich extrem teueren Solarstroms sind auf deutlich unter 10 Cent gefallen.

Überraschender Erfolg macht blind, und die Schattenseiten des EEG werden gern übersehen. Zum Beispiel hat das EEG dafür gesorgt, dass sich ein falsches Verständnis des Wertes einer Kilowattstunde einnistete. Um den Investoren möglichst viel Sicherheit zu bieten, wird jede Kilowattstunde gleich hoch bewertet, und zwar 20 Jahre lang. Unabhängig von der Nachfrage erhalten die Betreiber stets die gleiche Vergütung pro Kilowattstunde.

Das ist nicht mehr zeitgemäß. Beispielsweise ist an einem stürmischen oder sonnigen Wochenende der Ökostrom häufig zum Nulltarif zu haben, während man ihn in Zeiten der Dürre, wenn die thermischen Kraftwerke ihre Stromproduktion drosseln müssen, gewinnbringend vermarkten könnte. Die Stromspeicherung ist daher nicht nur eine notwendige, sondern auf lange Sicht auch wirtschaftliche Option.

So einfach wie bisher wird es nicht bleiben. Denn es ist noch völlig unklar, wie der überschüssige Ökostrom kurz- und langfristig gespeichert werden soll, damit er einen angemessenen Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten kann. Welche Rolle werden die Batterien spielen? Wieviel Wasserstoff brauchen wir und wo soll er produziert werden?

Die Komplexität des Problems scheint die Entscheidungsträger zu lähmen. Diesen toten Punkt muss die Bundesregierung jetzt überwinden und den Weg ebnen für Geschäftsmodelle, die auf der Speicherung und anschließenden Vermarktung von Ökostrom basieren. Denn sonst wird die Absurdität der Neujahrsnacht zur Gewohnheit und damit zur Belastung der Energiewende.